C. Kohlschütter: Energie für Bern

Cover
Titel
Energie für Bern. Eine Zeitreise


Autor(en)
Kohlschütter, Claudia
Erschienen
Bern 2022: Haupt Verlag
Anzahl Seiten
199 S.
Preis
34.00 CHF
von
Anna Bähler

Aus Anlass seines 20-Jahr-Jubiläums erschien dieses Jahr eine Publikation, welche die Geschichte des öffentlich-rechtlichen Gemeindeunternehmens Energie Wasser Bern (ewb) von den Anfängen seiner Vorgänger in der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart zusammenfasst. Das Werk bietet einen Überblick zur Einführung und Entwicklung der grosstechnischen Versorgungs- und Entsorgungssysteme in der Stadt Bern.

Das erste Kapitel befasst sich mit der Gasversorgung. Allerdings ist gegenüber den bestehenden Festschriften von Bernhard Wullschleger (1943) und Kurt Egger (1993) wenig Neues zu erfahren. Die Umstellung von der Stadtgas- auf die Erdgasversorgung sowie die widersprüchliche Rolle des Erdgases in der Umsetzung der Energiewende werden leider nur stiefmütterlich behandelt. Auch hätte die Rezensentin gerne etwas mehr über das Biogas erfahren, das seit 2008 von der ARA Region Bern produziert und von der ewb vertrieben wird.

Das zweite Kapitel nennt sich «Berner Wasser», wobei hier sowohl die Wasserversorgung als auch die Abwasserentsorgung zur Sprache kommen. Dies ist sinnvoll, weil sich beide Systeme wechselseitig bedingen: Einerseits gelangt mit der modernen Wasserversorgung mehr Wasser in die Stadt, das abgeführt werden muss, andererseits ist der Aufbau und Betrieb einer Schwemmkanalisation nur möglich, wenn die Abwasserröhren von genügend Wasser durchflossen werden. In diesem Kapitel fehlt zwar die Abwasserproblematik des 20. Jahrhunderts – schliesslich gehört die Abwasserentsorgung nicht in den Aufgabenbereich der ewb. Hingegen sind die Erweiterung der Trinkwasserversorgung sowie die Gründung und Entwicklung des Wasserverbundes Region Bern ab 1974 gut dargestellt.

Kapitel drei widmet sich dem Berner Strom, der erstmals 1891 im Kraftwerk in der Matte produziert wurde. Die Elektrizität galt damals als die Energieform der Zukunft. So ist es nicht erstaunlich, dass sich die Bevölkerung, das Gewerbe und die Industrie brennend dafür interessierten. Der Bedarf an elektrischer Energie nahm rapid zu, sodass die Licht- und Wasserwerke Bern – in welchen die Gas-, Wasser- und Elektrizitätsbetriebe seit 1891 zusammengefasst waren – die Elektrizitätsversorgung rasch ausbauten. Dies gelang einerseits über den Bau weiterer eigener Produktionsund Verteilanlagen, andererseits über Beteiligungen an diversen grossen Elektrizitätsversorgungsunternehmen, so auch gegen Ende der 1970er-Jahre an den Kernkraftwerken Gösgen-Däniken und Fessenheim. Interessant ist der Teil über den Stromhandel, als die Liberalisierung des Strommarkts die ökonomischen Rahmenbedingungen für die Stromversorger ab den 1990er-Jahren stark veränderte.

Das vierte Kapitel über die Geschichte des «Berner Ghüders» erforderte von der Autorin mehr Quellenarbeit, ist doch zu diesem Thema wenig Sekundärliteratur vorhanden. Alle Schweizer Städte hatten im 20. Jahrhundert mit einem schnell wachsenden Abfallberg zu kämpfen. Die Stadt Bern fand vorerst eine kreative Lösung: Von 1914 bis 1954 wurde der Abfall per Eisenbahn nach Witzwil verfrachtet, wo ihn die Strafgefangenen sortierten. Erst als sich abzeichnete, dass die Strafanstalt nicht mehr bereit war, den Abfall zu übernehmen, begann in Bern die Diskussion, ob dieser deponiert oder in einer Kehrichtverbrennungsanlage verbrannt werden sollte. Man entschied sich für Letzteres, sodass die Stadt 1954 eine für die damalige Zeit hochmoderne, mit einem Fernheizkraftwerk kombinierte KVA in Betrieb nehmen konnte. Da der «Ghüderberg» in einem ungeahnten Ausmass weiter anwuchs, wurde sie in den 1970er-Jahren erweitert, zudem baute man in den beiden folgenden Jahrzehnten Filter- und Abgasreinigungsanlagen ein. 2013 wurde die KVA durch die Energiezentrale Forsthaus ersetzt.

Das fünfte und abschliessende Kapitel trägt den Titel «Berner Engagement» und befasst sich zeitlich mit den letzten 25 Jahren, mit der Öffnung und Deregulierung der Energieversorgung in der Europäischen Union und den Auswirkungen dieses Umbruchs auf die Energieversorger in der Schweiz. Eine direkte Folge dieser Entwicklung war 2002 die Zusammenlegung des Elektrizitätswerks Bern (EWB) und der Gas-, Wasser- und Fernwärmeversorgung der Stadt Bern (GWB) sowie deren Ausgliederung aus der städtischen Verwaltung und Umwandlung in die selbstständige ewb. Die ewb positionierte sich als regional starkes Querverbundunternehmen, was zu politischen Auseinandersetzungen über ihren Aufgabenbereich führte.

Auf den letzten zwanzig Seiten der Publikation beschäftigt sich die Autorin mit der Teilliberalisierung des schweizerischen Strommarkts und der Reaktion der ewb darauf. So entwickelte diese ein neues Preisgestaltungssystem, das es der Kundschaft neu ermöglichte, zwischen verschiedenen Stromprodukten auszuwählen. Eine weitere Massnahme war die verstärkte Zusammenarbeit mit anderen Schweizer Stadtwerken. Ausserdem legte der Gemeinderat in der 2009 verabschiedeten Energiestrategie für die ewb Leitplanken im ökonomischen, ökologischen und sozialen Bereich fest. Dies bedeutete für die ewb, dass sie ihr Portfolio verstärkt auf erneuerbare Energien ausrichten musste, unter anderem auch, weil der Ausstieg aus der Kernkraft beschlossen wurde. Zwar sind im Text diverse Massnahmen zur Energiewende erwähnt, doch es bleibt unklar, inwiefern sich das ewb-Portfolio in den letzten zwei Jahrzehnten tatsächlich verändert hat.

Grundsätzlich ist es schade, dass sich die Publikation fast ausschliesslich auf die positiven Aspekte der grosstechnischen Systeme beschränkt. Die Autorin konzentriert sich auf die «erfolgreiche energiegeladene Geschichte», auf «die Menschen, die sich mit Visionen, Mut und Pioniergeist über politische Barrieren und gesellschaftliche Kritik hinwegsetzten» (S.157). Die vielfältigen ökologischen und sozialen Technikfolgen sowie die Proteste gegen den Ausbau der Wasser- und Stromversorgung kommen kaum zur Sprache. So werden zum Beispiel der Widerstand aus Naturschutzkreisen gegen das Projekt Aaretal II und die Ablehnung der Aareschutzinitiative (1993) nur ganz kurz gestreift. Auch wäre es wünschenswert, wenn die Lesenden etwas über die Reaktion der Vorgängerbetriebe der ewb auf die Energiekrisen der 1970er-Jahre und die damals aufkommenden Umweltbewegungen erfahren würden.

Ein grosses Plus des Buchs sind die zahlreichen sorgfältig ausgewählten Fotografen. Besonders spannend sind jene aus der Strafanstalt Witzwil, die zeigen, wie der Berner Abfall von den Häftlingen in Empfang genommen, sortiert und weiterverwendet wurde. Sehr schön sind auch die älteren und neueren Abbildungen, die Einblick in die fast sakral wirkenden Bauten der Wasserversorgung und der Stromproduktion geben. Die ebenfalls eindrücklichen Fotografen des Gaswerks zeugen ihrerseits von harter Arbeit in staubiger Umgebung.

Die Fussnoten und das Literaturverzeichnis sind sehr knapp gehalten, sodass es manchmal unmöglich ist, nachzuvollziehen, woher die Autorin ihre Informationen hat. Ein weiterer Nachteil der Publikation ist, dass manche Zitate nicht sauber nachgewiesen sind. Es reicht nicht, wenn in Fussnoten zu Zitaten lediglich auf die Sekundärliteratur verwiesen wird, und dies ohne Nennung einer Seitenzahl. Vor allem problematisch ist aber, dass die Autorin ganze Sätze wortwörtlich aus anderen Publikationen übernimmt, ohne dies auszuweisen. Dass direktes Zitieren aus anderen Publikationen ohne Nachweis ein No-Go ist, sollte eigentlich nach den Plagiatsdiskussionen der letzten zwei Jahrzehnte sowohl der Autorin wie auch dem Verlag klar sein.

Zitierweise:
Anna Bähler: Rezension zu: Kohlschütter, Claudia: Energie für Bern. Eine Zeitreise. Bern: Haupt 2022. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 84 Nr. 2, 2022, S. 45-47.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 84 Nr. 2, 2022, S. 45-47.

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